Mal nett ein Bier trinken - Marktfrühschoppen 1997 Quelle: http://www.mathematik.uni-marburg.de/~fsbio/kaktus.htm (Download vom 15. März 2000) Wie jedes Jahr traf sich
auch dieses wieder eine große Trauben Korporierter auf dem Marktplatz und hauten sich mit
ihrem Anhang mal so richtig und öffentlich die Hucke voll. Ein Traditionsfest , wie es zu
hunderten im neuen Deutschland statt findet. Jungs die besoffen der Schwerkraft nachgeben
und Mädels die sich toll dabei finden solche Gestalten zu umsorgen. Wirklich ein ganz normales
Fest ? Wohl kaum! Wenn man sich vor Augen
hält das es sich bei den frisch angeritzten Saufkumpanen um die selbst ernannte Elite des
deutschen Volkes handelt, und man sich klar wird, daß sie durchaus die Mittel und
Strukturen besitzen um damit ernst zu machen. Gemessen an der Gesammtbevölkerung läßt
sich zumindest nicht rechtfertigen das gleich vier Minister im Kabinett Kohl Männer mit
gewisser Verbindung sind. In Form des Innen-, Außen- und Zukunftsministerium sowie dem
Kanzleramtes sind es gerade die Kernbereiche der "christlich - liberalen"
Koalition die in den Händen von Korporierten sind. Wie so etwas ohne die immer wieder
abgestrittenen Seilschaften funktionieren soll ist uns Schleier(der war ja auch
Korporierter)haft, sorry, unverständlich. Zwei dieser Minister kommen gar aus Marburger
Korporationen, nämlich Kanzleramtsminister Bohl und der Abschiebungsexperte Kanther, der
keine Probleme hat Menschen in den sicheren Tod abzuschieben und sich darüber ärgert das
es Landkreise in der BRD gibt die sich seinen grünen Untergebenen massenhaft widersetzen
( der Kreis Schweandorf oder Lüchow-Dannenberg zum Beispiel ) wenn es um das Wohl ihrer
Region geht. Durch ihre bunten Kappen und
Bänder wollen die jungen Männer darauf hinweisen das es in Deutschland eine lange
Tradition von vermeidbar unverfänglichen und absolut harmlosen Männerbünden gibt, die
sich die Studienzeit qua Hopfensud versüßen. Wer die Symbole einer Tradition so zur
Schau stellt muß sich gefallen lassen das diese Tradition etwas genauer betrachtet wird. Studenten der heute noch
stolz getragenen Farben sagten noch 1932 in den Burschenschaftlichen Blättern:"Die
Deutsche Burschenschaft bejaht den Nationalsozialismus als wesentlichen Teil der
völkischen Freiheitsbewegung", oder in den Marburger VDSter Nachrichten
1933 Nr. 33 " Ein ausgesprochener Kampf gegen das Minderwertige hat begonnen, der
nicht allein um seiner selbst willen zu begrüßen ist, sondern vor allem, weil
Vernichtung des Unterwertigen der beste Schutz des Wertvollen ist und bleibt...Es gibt
nichts Menschlicheres als die Menschen von denen zu befreien, die ihre sittlichen,
kulturellen und wirtschaftlichen Fundamente zerstören!" Auch die Rolle der Frau
wird auf dem 150. Stiftungsfest des Corps Teutonia Marburg 1975 durchaus antiquiert oder
gelinde gesagt chauvinistisch interpretiert. Bei einer Damenrede heißt es in der 3.
Strophe "Ein Junggeselle kann zu Haus nur schleichen weil wochenlanger Staub
gefallen war. Und keine zarte Hand wird ihm zum Zeichen der Treue Zeitung und Pantoffeln
reichen. Und auch das Bett nutzt er nur Singular" und in der 4. Strophe weiter:
"Mit Damen tanzen alle Männer gerne: auf dem Parkett, durchs Leben, durch die Zeit.
Sie locken so wie Sonne, Mond und Sterne. Jedoch sie strahlen nicht in weiter Ferne; sie
sind gewissermaßen griffbereit.". Dies also sind die Männer die dieses Land ins
nächste Jahrtausend "führen" wollen. Wenn man also tiefer nachbohrt stellt
sich das bunte Treiben auf dem Marktplatz als etwas ganz anderes dar, als das wofür er
verkauft wird. Trotzdem und mit vollem Wissen über die strukturelle Demokratiegefährdung
durch die Korporationen sieht OB Möller (CDU) kein Problem darin, für die
Oberstadtgemeinde in die Bresche zu springen und dieses Besäufnis zu veranstalten. Im nächsten Jahr wird es
dafür eine stärkere Beteiligung kritischer Gruppen geben, da wir ja jetzt wissen, daß
wir auf den Marktplatz kommen werden. Dies war dieses Jahr nicht abzusehen, nachdem die
Polizei in diesem Jahr der AStA-Vorsitzenden klar gemacht hatte, daß sie mit dem
mittlerweile üblichen Aufgebot auffahren würde, wenn die Demo die genehmigte Strecke
verlassen würde. Die Erfahrung der Biegeneck-Demo und der sonstigen Zunahme polizeilicher
Ausschreitungen in Marburg ließen keinen Zweifel daran, daß die Herren auch dieses Mal
allerhand Gerät aufbieten würden, um uns vom Studenten- umtrunk fern zu halten. Daß
es trotzdem möglich war, auf den Platz zu kommen war ein unerwarteter Erfolg und niemand
kann uns übel nehmen, daß wir dem Alpenterror der Dilltaler Musikanten keine halbe
Stunde standhalten konnten. Nächstes Mal also mit eigener Kapelle und größeren
Transparenten (und mehr KritikerInnen). Wer sich weiter über Korporationen informieren will, sei auf die Veröffentlichungen des Projekts Konservatismus und Wissenschaft verwiesen, z.B. den "Antikorporierten Stadtrundgang". Diesen konnten wir am Mittwoch vor dem Marktfrühschoppen mit ca. 30 Leuten als inhaltliche Vorbereitung durchführen, was für alle sehr aufschlußreich war. Außerdem wird es auf der Bundesfachschaftentagung, die wir im November ausrichten einen Arbeitskreis dazu geben, der für alle offen ist. |