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Marktfrühschoppen.Polizei drängt Demonstranten in Seitenstraßen
Marburg. Mit Trillerpfeifen und lautstarken Parolen begleiteten rund 100 Demonstranten gestern wie schon in den vergangenen Jahren den Auftakt des Marktfrühschoppens.

von Werner Girgert

Korporierte und andere Gäste feierten gestern beim Marktfrühschoppen.

Als die „Fidelen Luftpumpen“ zur Einstimmung auf den Marktfrühschoppen kurz vor 11 Uhr auf der Bühne vor dem Rathaus den „Böhmischen Marsch“ intonieren, sind Bänke und Tische auf dem Marktplatz bereits dicht besetzt. Unter die mehr als 1.000 Besucher, von denen etwa ein Viertel Farben tragen, haben sich auch viele Gegner der Veranstaltung gemischt, die von den anwesenden Einsatzkräften der Polizei nicht aus dem Auge gelassen werden

Wie viele es sind, wird schon nach den ersten Begrüßungsworten von Detlev Scharlau deutlich. Ein lautes Pfeiffkonzert brandet dem Vorsitzenden des Marktfrühschoppenvereins, der die Veranstaltung ausrichtet, entgegen. Einige rufen „Burschis raus“ oder „Schmeißt die Burschis in die Lahn“. Eine junge Demonstrantin gelangt schließlich auf die Bühne und postiert sich etwas hilflos vor Scharlau. Zwei Polizisten ziehen die Frau umgehend herunter und führen sie ab.
Scharlau ruft den Demonstranten übers Mikrofon entgegen, dass „intolerante Störer“ nichts zu suchen hätten beim Marktfrühschoppen und erntet damit weiteren Protest. Schließlich fordert er die Polizei auf, die Gegner vom Marktplatz zu entfernen.
Wenige Minuten später beginnen die Beamten der Bereitschaftspolizei damit, die Demonstranten einzukreisen und drängen sie in Richtung Barfüßerstraße ab. „Wenn Herr Scharlau nicht so provozierend geredet hätte, dann hätten die auch nicht so gepfiffen“, meint Helmut Künkel, der den Marktfrühschoppen schon seit Jahren regelmäßig besucht.

Die Polizei drängte die Gegner des Festes vom Marktplatz ab in die Seitenstraßen.
Foto: Rainer Waldinger
Harald Wirschin aus Fulda dagegen zeigt volles Verständnis für die Polizeiaktion: „Wer Toleranz fordert, muss auch selbst Toleranz üben“, meint der Alte Herr der Burschenschaft Schaumburgia Marburg. „Wir werden es nicht länger hinnehmen, dass diese Störer uns sagen, wie wir in der Stadt feiern dürfen“, begründet Scharlau die Forderung nach Räumung durch die Polizei gegenüber der OP.
Unterdessen nutzen Marlene und Inga das Fest für ihre Zwecke. Mit anderen Frühschoppen-Gegnern tanzen sie vor der Bühne zum Takt der Musik. „Wir wollen mit unseren Aktionen gegen die hierarchischen, frauenfeindlichen und nationalistischen Strukturen der Korporationen protestieren, aber leider ist die Hälfte unserer Gruppe abgedrängt worden“, sagt die 19-jährige Marlene. Immer wieder gelingt es einer kleinen Gruppe als Cheerleader verkleideter Demonstranten zwischen den Polizeikräften hindurch zu schlüpfen, auf dem Marktplatz ihre Gesänge anzustimmen und Transparente zu entrollen.

Die Polizei, die laut Pressesprecher Werner Tuchbreiter mit rund 200 Beamten präsent ist, nimmt neun Demonstranten vorläufig in Gewahrsam. 30 weitere Frühschoppengegner werden zeitweilig in der Aulgasse eingekesselt.

Rund 100 Gegner des Marktfrühschoppens zogen bereits am Samstagnachmittag friedlich vom Firmaneiplatz bis zum Collegium gentium in der Gutenbergstraße. Teilweise in bunte Kostüme gekleidet und unterstützt von Sambarhythmen und Trillerpfeifen protestierten sie gegen „Sexismus, Rassismus, Nationalismus“ und „Traditionen, die in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr haben“. Die Demonstration endete mit einem Fest in der Gutenbergstraße. [Bild in der OP!]

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